Maya Shan & Fynn, humanoider Androide

02.12.2020

Maya Shan & Fynn - Figuren im Thriller "Welt der Schöpfer" - Teil 1

Im Grunde hatten sie sich beide kaum gekannt, dachte Maya Shan, Reporterin des Last Hope Sunrise auf Last Hope, Andromeda-Nebel, zurückblickend.

Es hatte eine kurze Begegnung im September 10.003 gegeben, in der sie sich beide voneinander angezogen gefühlt hatten und zwei Tage später erfolgte sein Besuch mit dieser wunderbaren Nacht, während der sie sich in ihn verliebt hatte. Allerdings wollte sie sich das lange nicht eingestehen, da er ein Androide war und von seiner Seite aus durfte er sie aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht mehr kontaktieren.
Erst nach mehreren Monaten hatten sie sich wiedergesehen und die ersten Tage auf dem Mond waren, trotz ihres täglichen Hin- und Herfliegens wegen ihrer Arbeit, ein bisschen wie Flitterwochen gewesen. Das Abendessen mit der "Familie", wie Justin Schwarz es nannte, die Führung durch Golems Stammsitz, bei der sich Golem zum Schluss anschloss und ihr sein Arbeitszimmer präsentierte, in dem er sich in der Regel aufhielt. Aber auch Chefwissenschaftler Schwarz riesiger Laborkomplex neben dem Stammsitz war eindrucksvoll. Justin erklärte ihr, dass er und Golem an einigen Neuerungen für seine Androiden saßen und zeigte ihr, woran er gerade arbeitete.

Seitdem sich Isis Romanow, First Lady und Androidin, für die Gleichstellung von Menschen und Androiden einsetzte, gab es zunehmend Anfragen von Golden-Future Androiden, die sich verschiedene Updates wünschten. Meistens waren es Erweiterungen ihrer Kapazität, zusätzliche Speicher und andere Spezifikationen. Aber es gab auch einige, die sich wünschten, eine Sexualität mit einem Menschen zu erleben. So wie Miles, ein Androide, der seine Ausbildung als Flight Commander hinter sich hatte und nun im Rahmen seiner Anstellung genug Solar verdiente, um sich diese Erweiterung leisten zu können. Nur Golem, Isis, Athena und Fynn - der ehemalig für den Ernstfall als Golems möglicher Nachfolger vorgesehen worden war - waren überhaupt in der Lage, eine Sexualität ähnlich der eines Menschen zu erleben. Bei allen anderen Golden Future-Androiden waren nur die Anlagen dafür vorhanden mit der Option, ggfs. später auf eigenen Wunsch hin eine Erweiterung durchzuführen. Aber es war eine arbeitsintensive Prozedur, bei der Schwarz mit mindestens einem Monat Zeit rechnete und den dementsprechenden Kosten. Miles war lange mit Ivy, einer menschlichen Frau, verlobt gewesen und lebte seit ihrer Anstellung mit ihr zusammen. Er wünschte sich, ihr all das bieten zu können, was sie auch von einem menschlichen Mann erwarten durfte und so hatte die USOP das Update genehmigt.
"Da habe ich ja mit Fynn richtig Glück gehabt", staunte Maya und sagte spontan. "Wenn ich mir vorstelle, ich hätte auf diese wunderbaren Erfahrungen so lange warten müssen ..."
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Justin sie mit einem wissenden Ausdruck in seinem Blick lächelnd anschaute. Etwas verlegen sagte sie schnell: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das ihre Beziehung intensivieren wird."
Fynn, der neben ihr stand, lachte: "Das ist ja wirklich passend ausgedrückt! Du hast jede Qualifikation dafür, meinen neuen PR-Job in der Klinik auf Last Hope zu übernehmen."
Seine Fröhlichkeit war ansteckend und sie stellte fest, dass sie in den letzten Jahren noch nie soviel gelacht hatte wie in ihrem kurzen Zusammensein mit ihm.

Damals hatte es auch ein erstes Krisengespräch zwischen ihnen gegeben, erinnerte sie sich, sofern man von einer Krise sprechen konnte. Denn Fynn schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob sie letzten Endes nicht doch den "richtigen" Golem ihm vorzuziehen würde, denn als solchen hatte sie ihn sowohl namentlich als auch vom Aussehen her anfangs kennengelernt. Fynn war ursprünglich als sein Doppelgänger erschaffen worden, um Golem im Ernstfall ersetzen zu können. Sie waren sich nach der äußerlich erfolgten, leichten Veränderung im Aussehen zwar immer noch ähnlich, doch Golem besaß eine ganz andere, ausdrucksstarke Präsenz, der sie sich nicht entziehen konnte. Während der Führung war Fynn auffällig still und, zurück in seinem Apartment, sprach er sie sofort darauf an.
"Du bist von Golem beeindruckt", begann er vorwurfsvoll und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Da sie es schon hatte kommen sehen, machte sie es sich auf der Couch bequem.
"Ja."
Ruhig erwiderte Maya seinen funkelnden Blick.
"Magst du ihn?"
"Ja."
Ihr war bewusst, dass sie mit ihrer Antwort Öl ins Feuer goss. Sie beide hatten ihre Zuneigung beim ersten Mal auch mit einem "Ich mag dich" tituliert - andererseits war es einfach so: Golem war ihr sympathisch, nicht mehr und nicht weniger. Doch es war besser, die Situation ein für alle Mal zu klären, entschied sie eisern, denn auf ständige Szenen solcher Art hatte sie keine Lust. Und im Moment brodelte es sichtbar in ihm: Fynn sah den Supergau vor sich, den er bereits erwartet hatte.
"Willst du dich von mir trennen?", fragte er schließlich ausdruckslos, mühsam beherrscht vor ihr stehend.
"Nein."
"Was willst du dann? Ich will keinen anderen Mann neben mir ..."
Eine Spur von Ratlosigkeit tauchte in seinem Gesicht auf.
Also sagte sie jetzt offen: "Ich will dich als meinen Mann, Fynn. Und ja - ich bin von Golem beeindruckt. Er hat eine faszinierende Ausstrahlung und das wird sich nicht ändern."
Schweigend sahen sie sich eine Zeit lang an.
"Du hast einen starken Willen", meinte Fynn schließlich anerkennend, während die Spannung spürbar abnahm. Sie seufzte erleichtert: "Ohne den ginge es mit uns nicht, oder?" Und dann fügte sie verschmitzt lächelnd an: "Wenn ich mich nicht durchsetze, stehe ich bei dir schnell auf verlorenem Posten."
Sie streckte ihre Hand nach ihm aus und so setzte er sich zu ihr.
"Es wird immer Menschen geben, die ich faszinierend oder beeindruckend finde, Liebster. Mahal z.B. mag ich auch und zwischen Smith und mir gibt es mittlerweile eine Art von Sympathie. Ich werde sicher auch noch andere mögen - aber niemals in der Art, wie ich dich mag."
Fynn sah sie unverwandt an und es schien noch in ihm zu arbeiten. Schließlich hellte sich seine Miene auf: "Ich bin einverstanden."
Eifersucht war eine starke Emotion und sie hatten noch einige Male darüber gesprochen - denn auch für einen Menschen war es häufig nicht leicht, damit umzugehen.

Eine Woche später reiste Fynn ihr nach und begann mit seiner Arbeit in der Klinik für Psychosomatik und Neurologie auf Last Hope im Andromeda-Nebel. Bereits nach einigen Tagen der Analyse machte er Prof. Bruno mehrere Vorschläge, wie die Klinik wieder mehr in den Blickpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gelangen konnte. Dazu gehörte eine bessere mediale Präsenz, ein Kontakt und Austausch mit anderen Kliniken; er schlug vor, vermehrt Konferenzen zum Thema hier abzuhalten und hatte auch zur Effizienz der einzelnen Abteilungen Ideen. Bruno zeigte sich hochzufrieden mit seinem neuen Angestellten und so begann Fynn als nächstes, sich in das neue Thema einzulesen. Abends holte er sie in der Regel in der Nachrichtenagentur Last Hope Sunrise ab und Shan stellte ihn sofort allen Kollegen als ihren Lebensgefährten vor.
Es war in der USOP - bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. beim Ex-Präsidenten Ben Smith - üblich, dass Androiden keinen Nachnamen erhielten. Dadurch war es jedem sofort klar, wem er gegenüberstand, da insbesondere die Golden Future-Androiden sich äußerlich nicht mehr von Menschen unterschieden. Aber da sie sich in der Agentur alle duzten, fiel es zunächst niemandem auf, dass er ein Androide war.
"Hy Fynn!" - "Welcome on Last Hope" - "Nett, dich kennenzulernen", waren die freundlichen Kommentare und so ließ sie es dabei. Früher oder später würden sie es schon erfahren.
Eine Woche später gingen alle zusammen etwas trinken und natürlich musste Fynn mitkommen. Im Restaurant sitzend begannen auch schon die ersten, neugierigen Fragen und so erzählte er von seinem neuen Job.
"Das klingt interessant", meinte Jenny, ein hübsche Blondine. "Da werden wir uns bestimmt mal über den Weg laufen. Ich werde oft dorthin geschickt, wenn es etwas zu berichten gibt. Wo warst du vorher tätig?"
"In einer beratenden Funktion auf dem Mond", erwiderte Fynn. "Ich habe Chefwissenschaftler Justin Schwarz unterstützt und für ihn die PR übernommen."
"Sag mal, hat dir schon jemand gesagt, dass du Golem sehr ähnlich siehst?", sagte Peer plötzlich, woraufhin sich alle Blicke prüfend auf Fynn richteten.
Ja", lachte dieser, "das ist wohl so. Aber Leute, ich bin es nicht."
"Und, wie ist er denn so, unser Superandroide?", fragte Amir.
"Naja. Golem ist eben Golem. Er lässt einen schwer in seine Karten schauen. Aber er ist schon ziemlich beeindruckend", erwiderte Fynn ungezwungen und warf Maya einen vielsagenden Blick zu, die an sich halten musste, um nicht loszulachen.
Ihr Chef Capelli tauchte auf und begrüßte seine Crew. Schließlich wandte er sich an Fynn, um ihn ebenfalls willkommen zu heißen.
"Schön, dass Sie kennenzulernen, Mr. ...?"
"Fynn", entgegnete Fynn freundlich, "einfach nur Fynn. Sehr erfreut, Mr. Capelli."
Capelli sah etwas verdutzt von ihm zu Maya und am Tisch war es schlagartig ruhig geworden - war Fynn etwa ein Androide?
Maya Shan erkannte, dass es an der Zeit war, ihren Kollegen die Augen zu öffnen. Sie nahm seine Hand in ihre und sagte dann strahlend in die Runde: "Er ist der Mann, den ich liebe und der Androide meiner Träume!"
"Wow, was für eine Schlagzeile!", murmelte Peer und sah beide beeindruckt an.
Capelli räusperte sich: "Ja, dann also ... Fynn. Ich hoffe, Sie leben sich hier gut ein. Haben Sie schon eine Bleibe?"
"Nächste Woche ziehen wir in ein gemeinsames Apartment, Mr. Capelli", informierte ihn Maya.
"Gut, gut", murmelte er. "Dann will ich nicht weiter stören - meine Frau wartet draußen. Ich wollte nur mal kurz "Hallo" sagen." Und schon war er wieder fort.
"Also, ich finde das interessant", sagte Jenny jetzt, die Fynn bewundernd ansah. Man merkte ihr an, dass er ihr gefiel und ihr neugierige Fragen auf der Zunge lagen. Amir hingegen schaute etwas skeptisch und verschlossen drein; er hielt es wohl mit seinem Weltbild nicht für vereinbar. Und auch Clarke würde wohl noch etwas daran knabbern, dass sie einen Androiden ihm vorgezogen hatte - so entgeistert wie er gerade dreinsah. Aber schließlich warf Peer locker ein: "Na und, was ist schon dabei? Ihr beide seid glücklich miteinander ... also, jedem das seine. Ist meine Meinung."
Damit lockerte sich die Stimmung und das Thema wurde gewechselt. Nach einer Stunde löste sich die Gemeinschaft auf und sie fuhren nach Hause.
"Das hat mir gefallen, was du gesagt hast", sagte Fynn später, als sie nachtfertig in seinem Arm lag. "Ich bin sehr glücklich mit dir, meine Traumfrau."
"Jenny mag dich übrigens", lächelte Maya bedeutungsvoll, "also wenn du ..."
Weiter kam sie nicht mehr, denn ihr Mund wurde unerbittlich verschlossen und als kurz darauf eine Spur von verlangenden Küssen heiß über ihren Körper wanderte, waren alle Gedanken vergessen.

Einige Tage später wurde dann der Last Hope Sunrise informiert, dass sich Gouverneure von verschiedenen Planeten in Andromeda angekündigt hatten, die den Botschafter von Atlas, Ben Smith, am darauffolgenden Tag bezüglich eines Projekts der USOP auf Atlas sprechen wollten. Wie gewohnt wurde speziell Shan zu einem abendlichen Empfang in der Botschaft eingeladen. Maya fragte kurz an, ob sie mit Begleitung erscheinen durfte und als die Bestätigung kam, freute sie sich. Denn es war für Fynn sicher eine willkommene Abwechslung, auch mal wieder mit anderen Androiden Kontakt zu haben.
Eingelassen wurden sie von einem humanoiden, atlantischen Androiden, der in eine blaue Uniform gekleidet war. Aber er besaß keine menschenähnliche Haut geschweige denn Haare, sondern glänzte metallisch, wo keine Kleidung vorhanden war. Ausdrucklos sah er beide mit seinen dunklen Augen an und führte sie wortlos in einen prachtvollen, großen Saal, in dem ein Büffet angerichtet war und einige Stehtische aufgebaut waren.
Es unterhielten sich kleine Gruppen von Menschen, andere standen mit einem Teller in der Hand am Büffet und hinten sah sie den Gouverneur von Last Hope, Zhang Tian, bei Ben Smith, ein Ex-Präsident der USOP, den Atlas als Botschafter ernannt hatte, und Mahal, dem atlantischen Konsul von Eden, stehen.
"Ah, der Last Hope Sunrise", erkannte sie der Gouverneur erfreut. "Ihre Arbeit ist bewundernswert, Miss Shan, und Ihr letzter Artikel hat mir gut gefallen. Ein Foto? Gut, dann stellen wir uns mal in Pose."
Danach verabschiedete er sich und Maya stand mit Fynn vor Smith und Mahal.
"Darf ich Ihnen Fynn vorstellen? Er ist mein Lebensgefährte und wird hier auf Last Hope ansässig."
Den beiden war sicher sofort klar gewesen, dass hier ein Androide vor ihnen stand. Mit Mahal hatte sie sich von Anfang an gut verstanden und mittlerweile mochte sie ihn irgendwie, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Mit einem Blick, der sein Erstaunen verriet, sagte der Androide des Imperiums Atlas: "Sie haben mich überrascht, Miss Shan. Aber - ein Wunder ist es nicht. Ich bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Fynn."
"Freut mich ebenfalls, Mahal", erwiderte Fynn locker und der Konsul zog ihn daraufhin mit einigen Fragen über das, was er hier in Zukunft zu tun beabsichtigte, ins Gespräch. So standen sie und Ben Smith sich inmitten des Getümmels ruhig gegenüber. Er hatte sie damals im Manöver auf Poseidons Kriegsschiff begleitet und aus der einstigen, unnahbaren Distanz war ein gegenseitiger Respekt und Sympathie erwachsen. Ihm war ganz sicher die Ähnlichkeit mit Golem nicht entgangen und nun dachte er sich wohl sein Teil.
"Fynn, mmh? Sie setzen mich zum zweiten Mal in Erstaunen, Miss Shan", lächelte er sie freundlich an. "Darf ich fragen, wo Sie sich kennengelernt haben?"
Smith war ein kluger, irdischer Androide, gewieft und firm auf dem diplomatischen Parkett, aber auch sehr undurchsichtig. Was er wirklich dachte oder fühlte, ließ er in der Regel niemanden wissen, doch es war schwer, ihm etwas vorzumachen. Aber die Wahrheit durfte sie nicht sagen; das musste ein Regierungsgeheimnis bleiben.
"Ich habe ihn über Justin Schwarz im Rahmen einer Recherche getroffen - und mich verliebt."
Damit endete sie und schweigend sahen sie sich einen Augenblick lang an.
"Das freut mich für Sie", sagte Smith schließlich. "Zumindest ist jetzt ein Geheimnis gelüftet: Wie aus der einstigen Gegnerin eines gleichberechtigten Umgangs von Maschinen und Menschen eine Befürworterin wurde."
Hatte er ihr etwa gerade zugezwinkert? Verblüfft lachte sie: "Ja, und wissen Sie was? Es hat mich selbst am meisten überrascht. Aber ich habe es seitdem keinen Tag bereut."

Und dann hatte Fynn eines Tages in den Tiefen von Golems Speichern etwas ausgegraben, was ihre Beziehung auf ungewöhnliche Weise bereichert hatte: Das Kamasutra, eine alte indische Liebesschule. Tatsächlich hatte sie selbst indische Wurzeln und war gespannt gewesen, was es ihr geben würde. Fynn war eine sehr sinnlicher und experimentierfreudiger Androide und anfangs hatten sie einfach nur Spaß dabei, bis sie beide herausfanden, dass es bei dieser alten Lehre nicht allein um verschiedene Stellungen beim Akt ging. Fynn nannte es sehr treffend "Das Spiel der Energien" und diese bewusste Art, Sexualität zu erleben ließ eine tiefe Intimität zwischen ihnen entstehen. Mit einem tiefen Atemzug und einem sanften Prickeln im Körper dachte sie daran, wie erfüllt sie sich mit ihm fühlte - als er sich neben ihr regte. Seine Arme legten sich um sie und dann hörte sie ihn in ihren Haaren brummen: "Guten Morgen, meine geliebte Maya."
Es war Zeit, aufzustehen.
Das Frühstück morgens war nie sehr lang - Fynn benötigte keine Nahrung und, während sie ihren Espresso trank und einen leichten Toast aß, besprachen sie, was jeder von ihnen vorhatte und wann sie sich wiedersehen würden. Fynn hatte einen geregelteren Tagesablauf als sie, denn durch ihre Recherchen oder, wenn Atlas wieder einmal Presse und damit vorzugsweise sie anforderte, ergaben sich manches Mal mehrtägige, lange Reisen, auf denen er sie nicht begleiten konnte.
Heute Abend würde in der Klinik ein Empfang als Auftakt einer Konferenz stattfinden, bei dem er anwesend sein musste. In die Klinik war seit seiner Ankunft Bewegung gekommen. Im Prinzip war Fynn für die PR zuständig und organisierte alles, was damit zusammenhing. Aber auch seine anderen Qualitäten wurden mittlerweile geschätzt und der Leiter der Klinik, Prof. Dr. Bruno, setzte ihn gerne ein, wenn es z.B. um Recherchen, Analysen und Empfehlungen für neue, vielversprechende Behandlungsmethoden für seine Patienten ging. Da Fynn mit sehr lockeren Art, auf Leute zuzugehen auch noch gerne zum Scherzen aufgelegt war, hatte er sich bald als beliebter Mitarbeiter erwiesen.
Shan selbst hatte noch einiges zu tun und so verabredeten sie, dass sie später am Abend nachkam.
In der Nachrichtenagentur Last Hope Sunrise ging sie nach der täglichen Begrüßung durch die Kollegen in ihr Arbeitszimmer, um sich, wie jeden Morgen, an die vielen Leserzuschriften zu setzen, die mittlerweile aus beiden Galaxien hereinkamen.
Ihre Kolumne befasste sich in erster Linie mit den atlantischen Androiden aber auch mit Androiden im Allgemeinen; was sie leisteten und den großen Nutzen, den die USOP durch sie hatte. Sophia zum Beispiel, eine dunkle Schönheit, die jetzt auf dem Flaggschiff der USOP ihren Dienst als Chefingenieurin tat - zuvor war sie am Empfang in einer Hotelanlage tätig gewesen! Dank Isis Romanow, der First Lady, die sich dafür einsetzte, dass Androiden ihrem Potential und Wünschen gemäße Anstellungen bekamen, hatte sich für viele Androiden der Alltag verändert. So brachte sie immer wieder Portraits dieser besonderen Persönlichkeiten. Miles, der Flight Commander im zivilen Luftverkehr, der seine menschliche Verlobte Ivy schlussendlich geheiratet hatte mit der Folge, dass er jetzt ihren Nachnamen trug. 
Maya Shan hatte die Vision, die immer noch verkrustete Haltung in dieser Gesellschaft, Androiden als minderwertig anzusehen, allmählich aufzuweichen. Ehemals selbst davon überzeugt wusste sie, wie stark die Ressentiments in der Bevölkerung noch waren - und das Auftauchen der fremdartigen, metallisch glänzenden, atlantischen Androiden hatte eher zu einem Rückschritt geführt, zumal diese Rasse der Menschheit von Anfang an in technologischer Hinsicht auch noch haushoch überlegen war.
Und fast schien es so, als wollten Strömungen in der USOP mit aller Macht verhindern, dass ihnen wenigstens nicht die irdischen Androiden über den Kopf wuchsen. Davon betroffen waren vor allem die höher entwickelten Golden Future-Androiden, die den Menschen zum Verwechseln ähnlich sahen. Sie entwickelten eine Persönlichkeit, wenn es zugelassen wurde und besaßen ein immenses Leistungspotential sowie ein Emotionsmodul, dass es ihnen ermöglichte, nicht nur Gefühle zu erkennen sondern diese auch in einem gewissen Umfang selbst zu erleben. Sie machten zwar nur einen relativ kleinen Anteil an den Androiden insgesamt gesehen aus - aber die USOP hatte mittlerweile entschieden, dass die Serie beendet wurde, um den sozialen Frieden nicht weiter zu gefährden.
Auf die Uhr sehend sah Maya, dass es bereits 22.00 Uhr war. Zeit, langsam in die Gänge zu kommen, entschied sie. Sie hatte gut vorgearbeitet und das Wochenende lag nun vor ihnen. Als das Lufttaxi die Klinik erreichte, waren immer noch viele Gäste im Foyer anwesend.
Prof. Dr. Bruno begrüßte sie kurz und so wanderte sie auf der Suche nach Fynn durch die bunte Menge an Spezialisten, Wissenschaftlern und Forschern.
Schließlich sah sie ihn mit der Kollegin aus der Agentur, die Capelli hergeschickt hatte. Lächelnd dachte sie daran, dass Jenny, eine attraktive Blondine, von Fynn begeistert zu sein schien und wer weiß - wenn sie selbst nicht gewesen wäre, dann hätte sie es sicherlich bei ihm versucht.
Auf die beiden zugehend stockte sie jedoch irritiert. Denn Jenny nahm plötzlich Fynns Hand und zog ihn mit sich, um hinter einer großen Leinwand mit ihm zu verschwinden. Was sollte das denn werden?
Ihre Schritte beschleunigend kam sie gerade dazu, wie Jenny ihm eine Karte in die Hand drückte und dann auf Tuchfühlung ging, um ihm, wie man so schön sagte, ein paar sehr verführerische Augen zu machen. Verblüfft stand Shan einen Augenblick wie angewurzelt da und beobachtete, wie Fynn versuchte, sie freundlich und bestimmt von sich zu schieben.
"Hallo Jenny", rief sie laut, sich aus der Erstarrung reißend. "Du bist noch da?"
Überrascht drehte sich ihre Kollegin um: "Oh, ich ... ich bin schon im Abflug begriffen, Maya."
Einen Augenblick später hatte sie sich wohl wieder gefasst, denn sie warf Maya mit einem Zwinkern noch einen verschwörerischen Blick zu und verschwand. Immer noch etwas durcheinander wandte sie sich Fynn zu.
"Es ... es tut mir leid. Hat sie dich belästigt?"
Fynn schaute sie etwas ratlos an: "Warum tut sie das? Ich bin mit dir zusammen ..."
Zusammen sahen sie sich die Karte an, die Jenny ihm in die Hand gedrückt hatte. Es war ihre Visitenkarte und hinten las Shan: "Ruf mich an!" Dahinter hatte sie auch noch ein Herzchen gemalt! 
Flammende Empörung durchströmte sie. Was erdreistete sich die Kollegin hier? Sah sie Fynn als Betthasen, den sie sich einfach nehmen konnte, wann sie wollte? Das war nicht hinnehmbar und am nächsten Tag bat sie Jenny, sie im Arbeitszimmer für ein Gespräch aufzusuchen.
"Ich denke, wir müssen mal etwas klarstellen", begann Maya mühsam beherrscht, als diese nach einer Stunde endlich erschien.
"Das hier", und damit landete die Visitenkarte vor der Kollegin, "geht gar nicht. Du bist zu weit gegangen."
Maya beugte sich langsam vor und fügte bedrohlich leise an: "Du wirst dich meinem Mann nie wieder in dieser Art und Weise nähern, haben wir uns da verstanden?!"
Damit schwieg sie und betrachtete Jenny grimmig, gespannt darauf, was diese sich wohl dazu einfallen lassen würde.
"Was machst du eigentlich für ein Theater? Es ist wirklich nichts passiert. Und auch wenn ..." Jenny rollte mit den Augen und stöhnte leicht entnervt.
"Du liebe Zeit, Maya, Fynn ist bloß eine Maschine, kein Mensch. Jetzt komm mal runter von deinem hohen Ross. Er muss ja  ein Weltwunder im Bett sein, dass du so ein Getue um ihn machst! Aber du willst mir doch nicht allen Ernstes weismachen, dass du ihn ... liebst?!"
Was immer sie erwartet hatte - das war es nicht, dachte Maya entgeistert. Sollte sie sie anbrüllen, mit Verachtung strafen oder am besten gleich ohrfeigen? Ihr war nach allem zumute - aber was brachte das? So sagte sie schließlich nur eisig: "Ich denke, es ist besser, wenn du sofort den Raum verlässt!"
Ihr Blick musste dementsprechend gewesen sein, denn Jenny erhob sich wortlos und ging kopfschüttelnd hinaus.
Lange saß sie vor ihrem Terminal - es hatte sie ins Mark getroffen, was Jenny gesagt hatte. Das würde sie Fynn besser nicht erzählen, dachte Maya schließlich.
Ungewohnt niedergeschlagen arbeitete sie noch einige Zeit an einem Portrait, um dann den Arbeitstag zu beenden. Ihr war eher danach zumute, etwas spazieren zu gehen und später am Nachmittag würde sie in der atlantischen Botschaft erscheinen. Atlas hatte Last Eden eine spezielle Technologie zur Verfügung gestellt, über die sie berichten wollte. Der Gouverneur Zhang Tian war anwesend und es würde sicher nicht lange dauern, war aber eine willkommene Abwechslung.
Doch die Begeisterung, die sie normalerweise an den Tag legte, wollte sich heute einfach nicht einstellen. Das Interview war schließlich vorüber, alle nötigen Informationen für den Artikel hatte sie und der Gouverneur wurde gerade von Ben Smith verabschiedet.
Als sie gerade dabei war, ihre Sachen zusammenzusammeln, kam er zurück und blieb bei ihr stehen.
"Sie waren heute nicht ganz bei der Sache, Miss Shan. So kenne ich Sie gar nicht. Ärger im Paradies?"
Sich aufrichtend musterte sie ihn schweigend, wie das gemeint war. Noch so einen Hammer verkraftete sie heute nicht. Aber in seinem Gesicht las sie leicht erstaunt so etwas wie eine Anteilnahme.
"Kommen Sie, setzen wir uns", meinte er dann freundlich. "Wollen Sie etwas trinken?"
Etwas unschlüssig entschied Maya schließlich, dass es ihr vielleicht gut tun würde, gerade mit ihm darüber zu reden. Mit einem Menschen, kam ihr mit einem Anflug von Bitterkeit in den Sinn, schien das wohl nicht möglich!
Smith setzte sich ihr gegenüber und ein Androide brachte eine Flasche Wasser und ein Glas, das er ihr eingoss.
"Danke", murmelte sie, aber der Androide sah sie nur ausdruckslos an und entfernte sich wieder. Nur die höher gestellten atlantischen Androiden hatten das USOP-Emotionsmodul erhalten und sie vermutete, dass diese künstliche Lebensform - gesteuert durch ihr internes Netzwerk - einfach nur Anweisungen ausführte und sonst nichts.
Smith saß vor ihr und sah sie ruhig und abwartend an. Plötzlich war sie dankbar, dass da jemand war, der ohne Druck und Vorurteile bereit war, ihr zuzuhören und so begann Shan langsam zu berichten, was geschehen war.
"... und das ausgerechnet auch noch von einer Kollegin!", endete sie schließlich. Erschrocken feststellend, dass sie plötzlich auch noch den Tränen nah war, versuchte sie, sich zusammenzureißen: "Tut mir leid, ich hatte nicht vor ..."
"Das muss Ihnen nicht peinlich sein, Miss Shan", erwiderte Smith warm. Nach einem weiteren Glas Wasser und einem tiefen Atemzug hatte sie sich wieder einigermaßen im Griff.
"Wissen Sie, es ist ja nicht so, als wüsste ich nicht, dass diese Einstellung hier in der USOP vorhanden ist. Ich erhalte nicht nur Liebesbriefe auf meine Kolumne. Es gibt auch Schmähungen bis hin zu Drohungen, denen allerdings die Agentur sofort nachgeht. Es hat mich wohl einfach kalt erwischt, weil diese Frau eine Kollegin ist, von der ich das so nicht erwartet hätte."
Eine Weile herrschte eine Stille im Raum während Maya vor sich hinsah, das Wasserglas in der Hand drehend und ihren Gedanken nachhing.
In Amirs Gesicht las sie häufig eine Missbilligung, wenn Fynn erschien und sie Arm in Arm die Agentur verließen. Clarke sagte zwar nichts, aber auch er hatte sich deutlich von ihr distanziert. Nur Peer und Hamid waren offener und gingen freundschaftlich mit Fynn um. Und ihrem Chef Mr. Capelli war es gleichgültig, solange sie der Agentur nur weiter zu öffentlicher Aufmerksamkeit verhalf. Wieder aufsehend begegnete sie Smiths abwartenden Blick.
"Dieses Ereignis hat mir auf niederschmetternde Weise klargemacht, Mr. Smith, dass ich Wasser mit einem Sieb schöpfe. Mal abgesehen von meiner persönlichen Betroffenheit, dass es jemand im näheren Umfeld überhaupt wagt, auf diese Weise mit meinem Lebensgefährten umzugehen - besteht überhaupt eine Aussicht, in absehbarer Zeit eine Veränderung in unserer Gesellschaft zu bewirken?"
"In absehbarer Zeit? Davon gehe ich nicht aus", hörte sie Smith ruhig und bestimmt sagen. "Doch auf längere Sicht - durchaus möglich."
Wieder trat eine Gesprächspause ein, in der sie plötzlich eine leise Müdigkeit empfand. Kämpfte sie gegen Windmühlen? War nicht alles, was sie tat, aussichtslos, wenn sie noch nicht einmal die Menschen in ihrem näheren Umfeld erreichen und überzeugen konnte?
Smith hatte ihr wohl ihre Stimmung angesehen, denn er sagte jetzt: "Wir brauchen Menschen wie Sie, Miss Shan. Menschen, die allen Widerständen zum Trotz die Stärke haben, für ihre Vision einzustehen."
"Aber wird das ausreichen?"
"Das wissen weder Sie noch ich. Sehen Sie - Sie haben ein Ziel, das Sie erreichen wollen aber Sie müssen die Zeit berücksichtigen, die dafür nötig ist. Die Gesellschaft der USOP befindet sich aus meiner Sicht in einer gewaltigen Umwälzung und wie üblich wird es erst einmal die entsprechenden Gegenbewegungen geben. Das ist der natürliche Gang und darauf müssen Sie sich einstellen", erklärte er ihr.
Maya Shan spürte, wie sich endlich in ihr die Revoluzzerin regte: Was, gibst du etwa beim ersten Schlag schon auf?! Steh wieder auf und lass dich nicht unterkriegen!
Ein leises Lächeln glitt langsam über ihre Züge.
"Sie haben Recht. Das habe ich nicht berücksichtigt", sagte Maya. "Ich danke Ihnen, Mr. Smith. Das Gespräch hat mir gut getan."
"Wie sagen die Franzosen so treffend: de rien, es ist nichts", erwiderte Smith freundlich. "In diesen Zeiten, Miss Shan, ist eines für uns wichtig: Verbündete und Freunde."
Aufmerksam sah sie ihn an - er hatte "uns" gesagt, was sie mit einschloss - und es tat gut, in ihm einen Verbündeten zu sehen. Ob er allerdings jemals eine Freundschaft mit einem Menschen zulassen würde, das schien ungewiss.
Maya erhob sich nun und Smith begleitete sie zur Tür. Sich ihm zuwendend bat sie: "Darf ich Sie ab und zu mal ansprechen, wenn ich meine Arbeit reflektieren möchte oder eine andere Meinung dazu brauche?"
"Wir schätzen Ihre Arbeit viel zu sehr, als dass ich dazu Nein sagen würde, Miss Shan. Sie sind hier jederzeit willkommen."
"Danke!", strahlte sie ihn aus vollem Herzen an. Sie hätte ihn am liebsten spontan umarmt, aber aus Respekt vor ihm tat sie es nicht. 
"Fühlen Sie sich umarmt, Mr. Smith", sagte Maya schließlich mit einem Zwinkern. "Ich bin sehr froh, Sie zu kennen.

Fortsetzung folgt

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