Karl Schneider-Amy Bishop
Frankfurt - 17. März 2018 Charaktere aus dem Buch "Die Bitcoinverschwörung"
Podcast - für den, der sich lieber das Ganze anhören möchte ...
Als
Karl Schneider, ehemaliger Faktor 5, am 17. März 2018 nach Frankfurt
zurückkehrte, nahm er sich erst einmal ein paar Tage frei.
Alles
war grottenschief gelaufen und von den einst so hochfliegenden Plänen war nur
noch ein Häufchen Asche übrig. Jetzt musste er auch noch sehen, wo er die
Hälfte seines Vermögens herbekam - denn dieser Faktor 1, der dem Projekt Bitcoin im
Auftrag Chinas, wie er jetzt wusste, vorgestanden hatte, war tot. Aber, da er
der Leiter der Auslandsabteilung der Deutschen Bundesbank war, konnte er über
die Kontakte der Bank sicher etwas erreichen. Aber das musste schnell
passieren. Denn wie er erst in Marseille erfahren hatte, standen hinter fast
allen Faktoren auch die Regierungen. Bedauerlicherweise hatte er nicht daran
gedacht, sich so abzusichern. Und es stand die Frage im Raum, nachdem alles
aufgeflogen war, was auf ihn zukommen würde. Anklage
wegen Hochverrat schien das wahrscheinlichste zu sein. Vermutlich hatte er
seine ausbleibende Verhaftung am Flughafen nur den gegenwärtigen, massiven
Unruhen zu verdanken. Aber das würde sicher noch kommen, wenn sich alles wieder
beruhigt hatte.
Er
klappte seinen Laptop auf und begann mit einer Anfrage an den Auslandsektor der ICBC Industrial & Commercial Bank of
China, der weltweit größten Bank, dessen Leitung Faktor 1 gewesen war.
Bedauerlicherweise war eine fehlgeleitete Überweisung festgestellt worden, die,
auch wenn es schon Jahre zurücklag, korrigiert werden musste. Nachdem alle
erforderlichen Daten eingegeben waren, konnte er nur noch abwarten. Die Zeit nutzend traf er Vorbereitungen, schnell aus Deutschland
zu verschwinden. Da er auch ein Konto in der Schweiz hatte, transferierte er
umgehend sein restliches Vermögen. Dann beantragte er noch ein Visum für
Amerika, das er aufgrund seiner Stellung schnell erhalten würde, und machte
einen Spaziergang. Wo sollte er hin?
Amy Bishop fiel ihm sofort ein. Sie schien leicht beeindruckbar
und stand wohl etwas auf dem Trockenen, so sein Eindruck. Da würde es ihm
leicht fallen, eine Tür zu öffnen und so war er fürs Erste gut untergebracht. Gut.
Sie musste auch gestern aus Hongkong zurückgekommen sein. Er
beschloss, kurz mal durchzurufen und abzutasten, was möglich war. Gesagt, getan
und tatsächlich bekam er sie gleich ans Handy.
"Hallo
Amy, hier ist Karl", begann er.
"Karl!
Was für eine schöne Überraschung. Bist du gut in Frankfurt angekommen?",
fragte sie, freudig überrascht. In Marseille hatte er sich freundlich, aber
distanziert gegeben. Später waren sie anderen Teams zugeteilt worden und in
Hongkong hatten sich kaum noch gesprochen. Er war ein attraktiver Mann, dieser
Karl, und sie hatte in den letzten Monaten immer mal an ihn denken müssen. Aber
leider hatte sie bisher den Eindruck gehabt, dass er nicht interessiert schien.
"Amy,
hier herrscht aufgrund der ganzen Unruhen ein großes Durcheinander und der
Betrieb steht fast still. Ich habe Zeit gehabt, über vieles nachzudenken und ...
ja, wie soll ich es sagen: Ich bedauere es wirklich sehr, dass wir beide so
wenig Kontakt miteinander hatten."
Oh,
dachte sie, angenehm überrascht. "Ja, das fand ich auch sehr schade, Karl.
Aber es hat sich irgendwie nicht ergeben, nicht wahr? Es war beängstigende
Zeit. Hier sind häufig die Polizeisirenen zu hören und zurzeit bleibe ich erst
mal zu Hause, bis sich die Lage auf den Straßen etwas stabilisiert hat. Die
Bank hat uns Mitarbeiter noch für eine Woche freigestellt."
"Mmmh",
er tat so, als würde er überlegen und sagte dann mit leiser, leicht verlegener
Stimme, "mmh, also ... Ich musste in den letzen Tagen oft an dich denken,
Amy. Sag mal, was hältst du davon, wenn ich einfach mal ein paar Tage zu dir
fliege und wir holen nach, was wir verpasst haben? Ich würde dich sehr gerne
näher kennenlernen. Da du die Woche noch frei hast - bei mir ist es genau
dasselbe - könnten wir die Zeit doch nutzen."
Amy
war im ersten Moment sprachlos. "Wow, die Überraschung ist dir gelungen,
Karl! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll..."
Wie
wäre es mit einem einfachen Ja, dachte Schneider ungeduldig. Aber er musste
behutsam vorgehen.
"Entschuldige,
Amy, es war wohl doch keine so gute Idee. Was musst du von mir denken... die Welt
liegt in Schutt und Asche und ..."
Amy
unterbrach ihn schnell: "Nein, nein, so ist das nicht gemeint. Ich dachte
nur nicht .... Also, ich freue mich sehr, wenn du kommst!"
"Wunderbar.
Gibt es ein nettes Hotel bei dir in der Nähe, bei dem du mir ein Zimmer
reservieren könntest? Ich gebe dir nachher durch, wann die nächste Maschine
geht. Eine Woche ist schnell vorbei."
"In
Ordnung, dann bis nachher", sagte sie und legte auf. Amy merkte, wie sich
eine Aufregung und eine Vorfreude in ihr ausbreiteten. Unverhofft kommt doch
oft, dachte sie. Anscheinend hatte die ganze Katastrophe etwas in ihm bewirkt.
Die Öffentlichkeit war nicht informiert worden, was wirklich passiert war, aber
sie und die ganzen, ehemaligen Faktoren sowie die Regierungen wussten es. Den
Tag über trällerte sie fröhlich vor sich hin. Vielleicht würde sich ja etwas
daraus ergeben? Auch wenn es eine Beziehung über den Kontinent hinweg werden
würde - ihr war bewusst, wie sehr sie sich nach einer erfüllenden Beziehung
gesehnt hatte, und dann noch mit einem so tollen Mann wie Karl!
Später
rief er wieder an: "So, liebe Amy, ich konnte alles sehr schnell regeln. Wozu
arbeitet man bei der Bundesbank? Also, ich komme, mit Zeitverschiebung, dann
morgen in Washington, um 7.00 in der Frühe, mit der Lufthansa an." Dann
fügte er mit veränderter, leicht sehnsüchtiger, Stimme hinzu: "Holst du
mich am Flughafen ab?"
"Aber
natürlich", sagte sie erfreut, "dann bis morgen in der Ankunftshalle.
Ich freue mich wirklich sehr, Karl. Guten Flug!"
Bestens,
dachte Schneider erleichtert, das wäre geschafft. Das Licht am Ende des Tunnels
war in Sicht. Er würde diese Frau gut um den Finger wickeln können. Sie hatte,
wenn er sich richtig erinnerte, eine gute Figur und war auch sonst ganz
passabel, er hätte es schlechter treffen können. Auf diese Weise gut
untergebracht, konnte er in Ruhe abwarten, wie sich alles für ihn entwickeln
würde.
Gut.
Bis die Bank und die Regierung reagierten, war er außer Landes. An sein Geld in
China würde er hoffentlich noch kommen, aber das konnte er auch aus dem Ausland
heraus regeln. Alles Notwendige hatte er in seinem Laptop. Und - was brauchte
er schon von all diesen Dingen hier? Karl
Schneider schaute sich in seiner, sehr modern und luxuriös ausgestatteten,
möblierten Penthouse Wohnung um. Letzten Endes war sie seine Visitenkarte
gewesen, aber das war anderenorts auch wieder möglich. Da vertraute er auf
seinen Instinkt und sein Glück. Er hatte schon immer den richtigen Riecher
gehabt, was die satten Gewinne aus seinen Spekulationen bestätigt hatten. Und
auch ohne die andere Hälfte seines Vermögens, das noch gebunden in China lag,
befand sich genug in der Schweiz, um sich das Leben angenehm zu gestalten. Aber
dabei würde es hoffentlich nicht bleiben. Er
packte zwei Koffer mit seinen Sachen zusammen. Den Rest stopfte er in Müllsäcke
und warf sie in den Müllcontainer. Was er in Zukunft benötigte, würde er sich
kaufen, wozu gab es Kreditkarten? Die Kündigung der Wohnung warf er auch noch
ein, die Miete war für die drei Monate bezahlt und den Schlüssel schickte er
ebenfalls per Post an die Wohnungsgenossenschaft. Falls noch Kosten entstehen
sollten, konnten die alles mit der Kaution verrechnen.
"Adieu
Frankfurt, adieu Deutschland", sagte er beschwingt. Mal sehen, was die
Zukunft für ihn noch so bereithielt.
Washington
Amy
Bishop wartete aufgeregt in der Ankunftshalle und ... da erschien er endlich. Als
sie ihm zuwinkte, kam er ihr strahlend entgegen. Karl war wirklich ein gut
aussehender Mann, dachte sie und hielt den Atem an, sehr elegant gekleidet,
grau-blaue Augen und braune Haare, in denen sich schon silberne Strähnen
abzuzeichnen begannen. Sie merkte plötzlich, wie ihr Herz klopfte und ihre Knie
weich wurden. Mein Gott, dachte sie, ich verliebe mich wohl gerade in ihn.
"Liebe
Amy, es ist so schön, dich zu sehen", er breitete seine Arme aus, um sie
innig auf französische Art zu umarmen. "Mmmh, und du riechst wirklich gut,
ein ausgewählt schönes Parfüm, meine Liebe."
Sie
sah ihn überwältigt an und sagte stotternd: "Ähm ... ja, es war nicht ganz
billig. Schön, dass es dir gefällt. Wie war dein Flug?"
"Gut.
Ich bin froh, ein paar Tage dem Chaos in Frankfurt entkommen zu sein. Hier ist
es wohl auch nicht viel besser, aber zusammen lässt sich doch alles leichter
ertragen, oder?", er lächelte sie an, dass ihr ganz warm wurde.
"Dann
fahren wir doch erst einmal zu deinem Hotel", meinte sie leicht verlegen.
Karl musterte sie beim Hinausgehen. Ja, ganz nett, aber unauffällig gekleidet,
braune Augen, ein Allerweltsgesicht und hellbraune, zu einem klassischen Dutt
hochgesteckte Haare. Nicht so ganz der erotische Typ, aber da ließ sich
vielleicht sogar noch etwas daraus machen. In jedem Fall schien sie anzubeißen
und gerade war sie etwas errötet, was ihr gut stand. Das ließ sich doch alles
gut an, stellte er zufrieden fest.
Im
Hotel angekommen, stellte er seinen Koffer im Zimmer nur ab, drehte sich zu ihr
um und sagte: "Wie sieht es aus, gehen wir etwas frühstücken? Darf ich
dich einladen?"
Unten
gab es ein nettes Restaurant und als sie schließlich ein paar Pancakes mit
Syrup und Toast gegessen hatten, den Kaffee vor sich stehend, begann er
lächelnd: "Liebe Amy, ich freue mich sehr, dass du dir Zeit genommen
hast." Plötzlich rührte er scheinbar verlegen in seinem Kaffee: "Das
ist sonst so gar nicht meine Art, weißt du? Ich meine, ich falle ja schon fast
mit der Tür ins Haus, oder?"
Amy
sah ihn entzückt an: "Nein, nein. Aber bisher kannte ich dich so gar
nicht."
Er
rührte weiter im Kaffee und murmelte: "Weißt du, mir ist durch das ganze
Drama klar geworden, dass es nur ein Leben gibt. Und man sollte das Glück, wenn
es anklopft, nicht einfach weiterziehen lassen. Du hast mir von Anfang an
gefallen, liebe Amy, auch wenn ich das nicht so gezeigt habe. Ein Mann braucht
eben seine Zeit, um sich über seine Gefühle klar zu werden."
Karl
sah sie jetzt lächelnd an, ergriff zart ihr Hand und sagte leise: "Habe
ich denn überhaupt eine Chance?" Amüsiert beobachtete er, wie sie
errötete, sie war wirklich lieb und naiv. Er wendete ihre Hand und ließ langsam
seine Finger zart über ihre Handinnenfläche zum Handgelenk hochgleiten und sah, wie
sie schneller zu atmen begann. Bingo, dachte er, ich habe sie an der Angel. Er
ließ sie plötzlich wieder los und meinte traurig: "Ich verstehe, es gibt
wohl einen anderen Mann, dem dein Herz gehört. Na, dann lass uns
wenigstens..."
"Nein,
Karl", sagte sie warm und ausdrucksvoll, "es kommt nur alles ein
wenig plötzlich. Und ja, ich habe auch an dich denken müssen. Ich hatte nur den
Eindruck, dass du kein Interesse hattest …"
Das
überaus charmante Lächeln, das ihn, wie er genau wusste, für Frauen so
anziehend machte, erschien wieder auf seinem Gesicht. Er streichelte ihre Hand:
"Amy, Amy ... wir haben soviel miteinander erlebt, Lourmarin, Hongkong,
Marseille, das schweißt zusammen, meinst du nicht?"
"Ja,
Karl", sagte sie leise, seine Berührung jetzt schüchtern erwidernd,
"das empfinde ich genauso." Sie
sahen sich still an und plötzlich sagte er mit sehnsüchtiger Stimme: "Weißt du, was
ich jetzt am liebsten tun würde, liebe Amy?"
Amy
Bishop sah ihn sprachlos an. Ein Traum schien wahr zu werden und sie schmolz
nur so dahin. Karl erhob sich lächelnd, setzte sich neben sie, strich zärtlich
über ihr Gesicht, um sie dann, mit einer Hand unter ihrem Kinn, sanft zu
küssen. Sie schloss die Augen und gab sich dem süßen Genuss hin, bis ihr
irgendwann klar wurde, wo sie sich befanden. Entschlossen sagte sie:
"Karl, lass uns zu mir fahren. Das ist kein Ort für eine so wunderbare
Begegnung. Ich habe eine gemütliche, große Wohnung und auch ein Gästezimmer.
Wenn du willst, nehmen wir deine Koffer gleich mit. Ich lade dich ein..."
"Bist
du dir sicher, mein Schatz?", murmelte er, ihr tief in die Augen sehend.
"Ja",
flüsterte sie hingerissen.
Karl
Schneider, hochzufrieden mit dem, was er erreicht hatte, erhob sich, zahlte und so
gingen sie seine Sachen holen.
Seit
ein paar Tagen wohnte er nun schon bei ihr und ihre freie Woche neigte sich dem
Ende zu. Die
ICBC Bank of China hatte ihm die Anfrage bestätigt und nach Rücksprache mit dem
Präsidentenbüro war ihm die Überweisung bewilligt worden. So gab er seine
Kontodaten durch und alles war erledigt. Was
seine derzeitigen Arbeitgeber anging, begann es schon zu rumoren. Schneider
hatte sich offiziell krank gemeldet. Dennoch lag ihm jetzt eine E-Mail vor, in
der er aufgefordert wurde, im Verlauf der nächsten Woche beim Präsidenten der
Deutschen Bundesbank zu erscheinen. Nach
dem ersten Schock hatte er aber mittlerweile erkannt, dass ihm eine Anklage
wegen Hochverrats kaum blühen durfte. Wie er jetzt den Zeitungen entnommen
hatte, wurde alles totgeschwiegen und die Schuld für das Desaster Sündenböcken
in die Schuhe geschoben. Trotzdem würde er nicht ganz davonkommen, das zeigte
ihm die E-Mail deutlich. Schlimmstenfalls würde er seinen Job zu verlieren,
dachte er nachdenklich. Aber im Grunde passte jetzt alles zusammen. Er würde
von sich aus kündigen unter der Bedingung, dass er ein hervorragendes Zeugnis
seiner Arbeit bekam und gleichzeitig so dem ganzen, unangenehmen Nachspiel
entgehen. Und hier konnte er dann leicht ein neues Leben beginnen. Perfekt. So
würde er es machen.
Als Amy vom Bad ins Zimmer zurückkam, lag er entspannt im
Bett. "Wollen wir irgendwo einen Kaffee nehmen?" Er lächelte sie nur bedeutungsvoll an und sagte, die Hand verlangend ausstreckend: "Komm her." Als sie sich errötend auf das Bett setzte, zog er sie
leidenschaftlich an sich und ließ sie vergessen, dass sie hatten frühstücken
gehen wollen.
Am Ende der gemeinsamen
Woche saßen sie im Restaurant, als er ihr unerwartet gestand, dass es für ihn
die schönste Zeit seit langem gewesen war. Dass die Tage ihm deutlich gemacht
hatten, wo seine Prioritäten liegen sollten. Arbeit war wichtig, aber eben auch
nicht alles, hatte er gesagt, ihr tief in die Augen sehend. Die Aussicht, nicht
mit ihr zusammen sein zu können, sei ihm unerträglich und er habe deshalb darüber nachgedacht, wie er es einrichten konnte, ganz bei ihr zu
bleiben. Es war ihm möglich, einen Großteil seiner Arbeit auch hier zu
erledigen, aber - wenn sie ihm mit ihren Kontakten helfen würde, hier in den
USA einen adäquaten Job zu finden, dann …
Das Leben schien ihr jeden
noch so geheimen Wunsch erfüllen zu wollen, dachte Amy Bishop und strahlte ihn heillos verliebt an: "Karl, my love, du weißt nicht, wie glücklich du mich
machst!"
Nach ein zwei Wochen hatte
die Bundesbank seine Kündigung akzeptiert und ihm sein Zeugnis geschickt. Es war also überstanden. Nun kam der nächste Schritt.
Amy war ein liebes Mädchen,
aber sie schien so gar nichts aus sich machen zu wollen, obwohl sie mehr
Potential hatte. Schneider hatte vor, einen glänzenden Eindruck auf dem Parkett
zu hinterlassen, auf dem er sich bewegen wollte, da musste sie präsentierbarer
werden. Also gab er sich viel Mühe mit ihr: Die Haare, die die Natur ihr üppig
mitgegeben hatte, trug sie jetzt, auf sein Anraten hin, offen und sanft gelockt
und bei der ausgesuchten Kosmetikerin erhielt sie ein Makeup-Styling, von dem
sie hinterher selbst völlig überrascht war, wie gut es ihr stand. Sie schien
sich unter seinen Händen regelrecht zu verwandeln. Eine so schöne Frau wie sie
hatte es nicht nötig, sich zu verstecken, hatte er erfreut gesagt. Karl wurde
auch nicht müde, mit ihr shoppen zu gehen, stellte sie erstaunt fest. Dabei kaufte er für sie sehr elegante, manchmal auch etwas zu aufreizende, Kleidungsstücke,
wie sie fand. Von den bisherigen Brauntönen riet er ihr vollkommen ab, sie
würden sie blass machen und damit eindeutig ihr Licht unter den Scheffel
stellen. So suchte er mit ihr zusammen verschiedene, pfiffige Kostüme aus, Etuikleider
in blauen oder schwarz-weißen Tönen, ein schwarzes, kurzes Cocktailkleid, eine rote, tief ausgeschnittene und rückenfreie Abendgarderobe, passend dazu
immer ein paar Schuhe mit mehr oder weniger Absatz. Nicht zuletzt überraschte
er sie mit einigen, sehr wertvollen Schmuckstücken, die ihre Schönheit nur
unterstrichen, wie er lächelnd meinte.
Karl und sie traten jetzt offiziell als Paar auf und er begleitete sie ganz selbstverständlich bei allen gesellschaftlichen Anlässen, die sich in ihrer Funktion als Leiterin des Federal Reserve Departement immer wieder ergaben. Sie bekamen viele Komplimente, was für ein hübsches, elegantes Paar sie doch waren, und wie gut ihr doch diese Beziehung bekam. So präsentierten sich für Schneider genug geschäftliche Gelegenheiten und früher oder später, da war er sicher, würde der richtige Job auf ihn zukommen. Eines Tages war es dann soweit: Er bekam den entscheidenden Tipp und bewarb sich bei der Bank als Investmentbanker. Das Vorstellungsgespräch verlief positiv und schließlich hatte er es geschafft. Abends gingen sie beide feiern und am nächsten Morgen hängte er ihr vor dem Spiegel im Bad ein paar ausgesucht kostbare Ohrringe um. "Für die liebenswerteste Frau der Welt!", hatte er dabei gesagt.
Nur zwei Monate später war
es vorbei.
Als sie eines Tages nach
Hause kam, waren alle seine Sachen weg. Sie fand eine hübsch verpackte
Schachtel auf dem Couchtisch, in dem sich ein hinreißend schönes Diamant
Colliers, das entsprechende Armband und ein paar Ohrringe dazu befanden. Eine
sorgfältig ausgesuchte Karte lag dabei, mit nur einem einzigen Wort darauf:
"Danke!"
Fassungslos rief sie bei der
Bank an und erfuhr, dass er nicht mehr in Washington arbeitete, sondern sich an
die Westküste hatte versetzen lassen. Wie benommen hatte sie dagesessen und
die Welt nicht mehr verstanden.
Nach einer Woche nahm sie sich schließlich ein paar Tage frei, um nach L.A. zu fliegen. Sie hatte herausgefunden, wo er arbeitete
und wartete nun im Foyer auf ihn, um ihn nach der Arbeit abzupassen.
Die Aufzugtür ging auf und
eine atemberaubende Blondine auf High Heels und einem exquisiten, eng
anliegenden Markenkleid kam heraus, dicht gefolgt von einem strahlend
lächelnden, charmanten Mittvierziger, der ihr nur zu bekannt vorkam. Zutiefst bestürzt beobachtete sie erstarrt, wie
die Lady laut auflachte, während Karl sie umfasste und beide eng umschlungen
hinausgingen. Amy Bishop verließ die Bank
vernichtet, ohne ein einziges Wort zu sagen. Elend stand sie auf dem
Bürgersteig und beobachtete aus einiger Entfernung, wie Karl der Augenweide die
Tür seines Jaguar Cabriolets öffnete und sie einsteigen ließ. Als sie
nebeneinander saßen, überreichte er ihr ein kleines Päckchen, das sie mit einem vielsagenden Lächeln öffnete und ihm dann um den Hals fiel. Als Karl sie dann auch noch
leidenschaftlich küsste, bevor er den Wagen anließ und mit ihr davonfuhr,
fühlte sie, wie ihr die Tränen die Wangen hinunterrannen.
"Er ist es nicht wert,
Schätzchen", sagte eine freundliche Seele neben ihr, die sie mit einem Taschentusch
versorgte. Sie raffte sich auf und kehrte zum Flughafen zurück. Im Flugzeug
sitzend starrte sie aus dem Fenster. "Oh, Karl", flüsterte sie
schmerzerfüllt, während ihr wieder die Tränen kamen.
"Na, na", sagte
eine Stimme neben ihr, "wer hat Ihnen denn das Herz gebrochen?" Die
angebotenen Taschentücher gerne annehmend erzählte sie, immer wieder unterbrochen von
reichlich fließenden Tränen, schluchzend ihre Geschichte. Ihr Sitznachbar hörte
ihr ruhig und anteilnehmend zu und zauberte sogar ein trauriges Lächeln auf die
Lippen, als er sagte: "Was für ein Schuft. Eine hübsche Lady wie sie
sollte man nicht so behandeln!"
Irgendwann nickte sie
erschöpft ein und wachte erst auf, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Amy
nahm war, dass sie sich wohl in ihrem Kummer unbewusst an die Schulter ihres
Nachbarn gekuschelt hatte, der sanft den Arm um sie gelegt hatte. "Oh",
murmelte sie verlegen, "es tut mir leid …"
"Nein, nein",
sagte er schmunzelnd, während er seinen Arm wieder zurückzog. "Ich habe
Ihnen gern ein wenig beigestanden. Und, geht es wieder?"
Amy sah einen jugendlich
wirkenden Geschäftsmann Ende dreißig vor sich, der sie aus braunen Augen warm
anlächelte. Immer noch etwas beschämt sagte sie: "Was müssen Sie von mir
denken, ich hoffe, ich habe Ihnen nicht den Anzug ruiniert?"
"Kommen Sie",
meinte er abwinkend, "das ist nichts. Nach allem, was Sie erlebt haben, ist das
doch kein Wunder. Aber es ist nicht jeder so ein Mistkerl, glauben Sie mir.
Eine so bezaubernde Frau wie Sie hat jemand besseren verdient."
Unwillkürlich lächelte sie,
den Wunsch verspürend, sich wieder an ihn zu lehnen.
"So ist es schon besser",
meinte er zufrieden und begleitete sie aus dem Flugzeug. Auf dem Weg zum Taxi
erzählte er ihr, dass er hier in Washington eine kleine Firma hatte und bei
einem potentiellen Kunden in L.A. gewesen war. Dabei hatte er auch seine kleine
Tochter besucht, die mit seiner Ex-Frau ebenfalls dort wohnte. Bevor sie ins
Taxi einstieg, gab er ihr noch seine Visitenkarte und sagte: "Rufen Sie
mich an, wenn es Ihnen wieder besser geht. Ich würde mich sehr freuen."
Nachdem sie sich einige
Wochen innerlich komplett zurückgezogen hatte, begann sie endlich
nachzuforschen und langsam wurde ihr klar, was tatsächlich gelaufen war. Karl
hatte ihre Sehnsucht geschickt für sich ausgenutzt - allerdings hatte er ihr auch viel gegeben. Als sie sich das irgendwann eingestehen konnte,
ging es allmählich wieder bergauf. Schneider hatte Glanz in ihr Leben gebracht
und sie beschloss, diese Erfahrung zu nutzen und nach vorne zu schauen.
Die Visitenkarte, die sie
damals in ihrem Kummer nicht weggeworfen, sondern vor dem Spiegel im Badezimmer aufgestellt hatte, schien ihr zuzulächeln.
Sie sah sie jetzt unwillkürlich öfter an und entschied, dass sie in der kommenden
Woche einfach mal durchklingeln würde.