John Kopernikus & Sophia

20.07.2021

Charaktere in den Büchern "Das verborgene Imperium" - "Die Welt der Schöpfer" und andere ab dem Jahr 10.000

Sophia & John Kopernikus

Das Treffen mit Hamid war äußerst aufschlussreich gewesen, resümierte die Androidin Sophia, als sie wieder in ihr Quartier auf der EARTH ONE zurückkehrte.
Hamid, ein Reporter vom Last Hope Sunrise, hatte nach einer ihrer Führungen während des Tages der offenen Tür auf dem Flaggschiff der USOP vor ihr gestanden und sie um das gebeten, was die Menschen ein Rendezvous nannten. Er war ein mittelgroßer Mann mit dunklen Haaren und feurigen Augen, die sie bewundernd ansahen - und so hatte sie lächelnd zugestimmt, einer unbestimmten Neugier nachgebend. Der Abend war angenehm verlaufen und sie führten anregende Gespräche. Es kristallisierte sich heraus, dass er auf der Suche nach einer Partnerin war und schließlich hatte er sie gefragt, wie sie darüber dachte. Erstaunt war ihr klar geworden, dass sie darüber noch nie nachgedacht hatte!
Sie hatte Hamid gefragt, warum er ein Zusammenleben mit einer Frau überhaupt in Betracht zog und er hatte einige Aspekte erwähnt, die sie beschäftigten. Sie entschied, dass ein Lebensgefährte, mit dem sie sich jederzeit austauschen, Gedanken und Projekte entwickeln konnte, sehr reizvoll war. Denn bisher hatte sie ihre Existenz allein verbracht und sich niemals die Frage gestellt, ob sie sich etwas anderes wünschte. Als es um ihre Arbeit ging war ihr immer bewusst gewesen, dass sie die ursprüngliche Tätigkeit, am Empfang mit Kunden Gespräche zu führen, nie ausgefüllt hatte. Und als die First Lady Isis Romanow den Aufruf an alle Androiden startete, die sich anders verwirklichen wollten, hatte sie sofort mit ihr Kontakt aufgenommen.

Interessiert hatte sie sich heute Abend auf einen körperlichen Kontakt mit Hamid eingelassen, um herauszufinden, was es damit sich auf sich hatte. Es war ungewöhnlich und ... feucht gewesen, bewertete Sophia das Geschehen. Hamid war zwar ein angenehmer Mann, der ihr durchaus gefiel. Aber als er sie fragte, ob sie sich ihn als Partner in einer Beziehung vorstellen könnte, wusste sie, dass eine Beziehung mit einem Menschen nicht ihr Wunsch war. Diese Art von körperlichem Kontakt reizte sie nicht. Ein menschlicher Partner hatte außerdem einen großen Nachteil - sie konnte mit ihm nicht so direkt und mühelos kommunizieren, wie sie es mit anderen Androiden oder der Bord-KI tat. Im Grunde fühlte sie sich unter Androiden wohler, schlussfolgerte sie. Würde sie hier einen Partner für sich finden?

Der Tag der offenen Tür war beendet und als Chefingenieurin war sie auf dem riesigen Raumschiff von morgens bis abends beschäftigt.
Eines Tages unternahm die EARTH ONE einen Flug in die Andromeda Galaxie, zunächst nach Last Hope, um dort einige atlantische Androiden aufzunehmen und dann wurde nach Atlas Fahrt aufgenommen.
Dort angekommen sollten die Atlanter einiges updaten und so hatte die Bordbesatzung mehr oder weniger frei. Admiral Schneider hatte sie angesprochen, ob sie ihn begleiten wollte - der Botschafter der USOP, John Kopernikus, hatte ihn zu einer kleinen Tour auf Atlas eingeladen. Da er mittlerweile schon länger dort residierte, kannte er den Planeten gut. Sophia stimmte zu und so machten sie sich auf den Weg.
In der Botschaft wurden sie von einem atlantischen Androiden der unteren Befehlsstruktur empfangen, was bedeutete, dass er zwar Anweisungen ausführte, aber keine eigene Persönlichkeit besaß. Er führte beide in einen großen Raum, in dem ein Mann an einem Fenster stand und auf die prachtvollen Gärten hinausschaute, die sich dort befanden. Sich umdrehend ging er auf Schneider zu: "Admiral Schneider, ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen."
"John, schön, Sie wiederzusehen! Wie geht es Ihnen hier auf Atlas?"
Sophia stand still daneben und betrachtete Kopernikus, während die beiden sich unterhielten. Er hatte eine freundliche und ruhige Art und auffallend strahlende, blaue Augen. Plötzlich wandte er sich zu ihr und lächelte: "Und Sie sind Sophia? Ich habe schon viel von Ihnen gehört und zwar nur Gutes!"
Sie erwiderte sein Lächeln und dann liefen sie zu dritt zu einem Gleiter, der sich kurz darauf in die Lüfte erhob und zu einem Rundflug über Atlas startete.
Kopernikus erklärte Schneider einiges, der wiederum interessierte Fragen stellte. Und so betrachtete Sophia die Welt unter sich. Atlas war der Sitz des mächtigen und technologisch überlegenen Androiden-Imperiums, ein sonniger Planet mit einer gleichbleibend warmen Temperatur.
Als der Gleiter nach einer Stunde wieder landete, fragte Schneider, ob sie noch ein wenig bleiben wollte - er würde in einer Stunde wieder zurückkommen, um sie und Kopernikus abzuholen, der der Erde einen Besuch abstatten sollte. Sie bejahte, Schneider verabschiedete sich und so blieb Sophia allein mit Kopernikus zurück.
"Wenn Sie möchten, können wir uns auch anders unterhalten", bot Kopernikus an. Erfreut stimmte sie zu und so führten sie die weitere Unterhaltung über ihre internen Kommunikationsmodule wortlos.
"Das ist sehr freundlich", erwiderte sie sofort. "Mir ist diese Art der Kommunikation lieber."
"Kommen Sie, machen wir einen Spaziergang im Garten", schlug er vor. "Meine Sachen sind gepackt - wir werden uns die Zeit angenehm gestalten, bis Schneider uns abholt."
"Sehr gerne."

Die Stunde war intensiv und verging viel zu schnell, wie sie fand. Neugierig hatte sie ihn gefragt, wie es für ihn war, in einer Welt voller Androiden und Roboter zu leben.
"Es hat mir anfangs das Gefühl vermittelt, zu Hause zu sein. Aber das war nur in gewisser Weise der Fall, denn hier existiert eine sehr strenge Kommandostruktur, die mir in dieser Form nicht ganz zusagt. Daher freue ich mich auf den Besuch zur Erde. Und Sie, sind Sie gerne Chefingenieurin auf der EARTH ONE?"
"Ich kann mir nichts besseres vorstellen"
, erwiderte Sophia. "Es war das, was ich immer hatte tun wollen."
Während der drei Flugtage lud Kopernikus sie erneut ein, nach Dienstschluss Zeit mit ihm zu verbringen. In der Messe sitzend kamen sie darauf zu sprechen, was sie früher gemacht hatten. Kopernikus war einst von Art und Leah Kopernikus erworben worden. Irgendwann war er ihnen ans Herz gewachsen, er wurde wie ein Familienmitglied behandelt und sogar adoptiert.
"Und deswegen trage ich auch einen Nachnamen", endete er.
"Das ist ungewohnt", meinte sie. "Bist du daran interessiert, dir meine EARTH ONE mal anzusehen?"
"Deine EARTH ONE?"
, lachte Kopernikus laut auf.
Plötzlich bemerkten sie, dass sie von einer Gruppe Menschen teils neugierig und teils befremdet beobachtet wurden.
"Haben wir Sie gestört?", reagierte Kopernikus sofort.
"Äh ... nein", antwortete ein Mann der Gruppe. "Es war nur merkwürdig, Sie beide lachen und gestikulieren zu sehen, aber keine Worte dazu zu hören."
"Wir haben intern kommuniziert", erklärte Kopernikus freundlich.
"Gut, gut, dann entschuldigen Sie bitte. Ma'am", nickte er Sophia zu und wandte sich dann wieder der Gruppe zu.
Kopernikus sah Sophia lächelnd an und schlug vor: "Wo waren wir gerade stehengeblieben? Du wolltest mir dein Raumschiff zeigen."
Stolz führte sie ihn herum und zeigte ihm viele Errungenschaften; teils waren es Innovationen, die aus der Bevölkerung gekommen waren, teils waren sie von den Atlantern übernommen worden. Mittlerweile waren sie im Maschinenraum angekommen und Sophia wies auf die riesigen Warp-Antriebe und Energiemeiler.
"Das hier sind die, mit der Technologie der Atlanter neu modifizierten Antriebe, die unser Beschleunigungsverhalten signifikant verstärkt haben. Und wir haben hier noch etwas Besonderes, John: Die Option, sich mit der EARTH ONE 2 Sekunden in die Zukunft zu begeben und damit im Normalraum für alle anderen nicht sichtbar zu sein."
Anschließend liefen sie weiter durch riesige Hangars, die die Beiboot-Flotte beherbergte und auch die Jägerstaffel war sehr imposant. Zurück in der Zentrale zeigte ihm Sophia den zentralen Befehlsstand, von wo aus der Kommandant Admiral Schneider alles befehligte. Kopernikus fiel eine rot gekennzeichnete Tafel auf, die mit einem durchsichtigen Panzerglas verschlossen war.
"Warum ist das besonders gesichert?"
"Hier befindet sich das Bedienpult für den Sonnenzerstörer, der uns von den damaligen Schöpfern übergeben wurde. Zurzeit ist der Einsatz nicht notwendig - die Waffe wurde oft in der Zeit des Materiebrandes eingesetzt. Aber hier ist noch etwas: Der Warp-Antrieb beinhaltet immer in sich die Möglichkeit von Zeitreisen, da er die Raum-Zeit krümmt. Es wurden daher Sperren eingebaut, denn der Kommandant darf Zeitreisen nur nach Freigabe durch die Regierung durchführen. In dem Fall besteht die Gefahr von Zeitparadoxen. Dort siehst du die Tafel, um die Steuerung freizugeben. Seit ich an Bord bin wurde sie bedauerlicherweise noch nicht benutzt."

Kopernikus stellte einige Fragen, an denen Sophia bemerkte, dass er zu verstehen schien, was ihr ihre Arbeit bedeutete. Nach einer zweistündigen Führung verabschiedete sie sich von ihm, da einige Aufgaben auf sie warteten.
"Es war sehr schön, mit dir die Zeit verbracht zu haben", äußerte sie sich spontan.
"Mir hat unser Zusammensein ebenfalls gut gefallen", erwiderte Kopernikus mit einem Lächeln.
Beide sahen sich einen Augenblick lang an und Sophia ging plötzlich durch den Sinn, dass sie sich ihn gut als Partner vorstellen konnte. Wie es wohl war, ihm jeden Tag zu begegnen und mit ihm ihre Zeit zu verbringen?
"Wir haben noch einen Flugtag. Lässt es dein Dienstplan zu, dass wir uns weiter unterhalten?", fragte Kopernikus.
"Ich freue mich über deine Frage"
, erwiderte Sophia lächelnd. "Ja, es ist möglich. In ein paar Stunden habe ich zwar Bereitschaft, aber es gibt zurzeit nichts zu tun, bis wir landen."
"Treffen wir uns an einem ruhigeren Ort"
, schlug Kopernikus vor. "Vielleicht in einem leeren Konferenzraum?"
"Ich komme bei dir vorbei, wenn ich fertig bin",
sagte Sophia und wandte sich zum Gehen. John Kopernikus stand noch eine Weile da und sah ihr nach, bis sie verschwunden war. Es war sehr angenehm mit ihr gewesen. Unwillkürlich dachte er an die atlantischen Androiden, mit denen er auf Atlas Tag für Tag zu tun hatte. Mittlerweile vermisste er ein gewisses Maß an alltäglicher Emotionalität und Spontanität, was er vom Umgang mit Menschen her kannte. Sophia besaß zwar auch eine gewisse analytische Nüchternheit und zeigte eine große Professionalität in ihrem Metier, wies andererseits auch eine Portion von dem auf, was die Menschen Charme nannten. Kopernikus stellte fest, dass er sie mochte und freute sich darauf, sie schon bald wieder zu sehen.

Mehrere Stunden vergingen, bis es schließlich an seiner Tür summte. Kopernikus betätigte den Öffner und als er sah, dass Sophia in der Öffnung erschien, schlug er vor: "Wenn es dir recht ist, bleiben wir einige Zeit hier. Es ist hier ruhig und es gibt keine störende Blicke oder Fragen, wenn wir uns nonverbal unterhalten."
Sophia lächelte erfreut: "Sehr gerne."
Dann sah sie sich interessiert um: "Das ist eine schöne Unterkunft. Sie ist sehr geräumig und komfortabel."
"Bitte, setz dich doch"
, Kopernikus wies auf mehrere, bequeme Sitzgelegenheiten in seiner fast luxuriösen Suite, die ihm als Botschafter der USOP zugeteilt worden war.
"Du hast auf Atlas gesagt, dass du eine reine Androidenwelt nicht mehr wünschst?", begann Sophia. "Ich stelle mir das jedoch sehr vorteilhaft vor."
"In gewisser Weise ist es das auch. Wir Androiden vernetzen uns, kommunizieren sofort und schnell, analysieren und kommen rasch zu den gewünschten Resultaten und Schlussfolgerungen. In der Arbeit mit Menschen ist es oft zäh und es ist viel Geduld nötig. Und doch habe ich auf Atlas festgestellt, dass ich einige ihrer Eigenschaften im Alltag vermisse."
Sie sahen sich an und John erkannte, wie sehr er ein solch reizendes Lächeln, das gerade über ihr Gesicht huschte, vermisst hatte.
"Ich mag dein Lächeln, Sophia. Du strahlst einen Charme aus, der sehr anziehend ist. Das ist etwas, was den Atlantern völlig fehlt."
"Das freut mich. Ich bin gerne mit dir zusammen, John", antwortete Sophia, um eine Nanosekunde später hinzuzufügen: "Ich wünsche mir, dass wir Kontakt halten. Mir gefällt es, wie wir uns unterhalten und ich möchte gerne mehr Zeit mit dir verbringen."
Kopernikus betrachtete sie und analysierte seine eigenen Gedanken und Wünsche. Sie hatten auf dem Flug viel Zeit zusammen verbracht. Er hatte mit ihr gelacht, diskutiert und Gedanken ausgesprochen, über die er selten mit jemanden geredet hatte. Es hatte ihm sehr gefallen. Ihr schien es ebenso zugesagt zu haben, denn sie hatte ihre Wünsche unmissverständlich und klar geäußert. Dazu zeigte sie eine ruhige Emotionalität, die er als angenehm empfand. Im Grunde bahnte sich zwischen ihnen etwas an, was er bei den Menschen häufig beobachtet hatte und was unter dem Begriff Beziehung eingeordnet wurde.
"Das möchte ich auch", entschied Kopernikus. "Wir werden uns wiedersehen."
Ein Strahlen überzog Sophias Gesicht: "Ich freue mich, John."
Kopernikus erhob sich und streckte ihr seine Hände entgegen, die sie ergriff. So voreinander stehend erkannte Sophia, dass sich ihr eine Tür öffnete, die sie noch nie zuvor wahrgenommen hatte. In Kopernikus Gesicht spiegelte sich ihr eigenes Staunen deutlich wieder und so sagte sie: "Ich fühle mich sehr wohl mit dir, John."
Er nickte zustimmend und seine blauen Augen strahlten: "Das ist eine vollkommen neue Erfahrung und eine sehr schöne dazu."
"Es ist sehr anregend, dich zu berühren", sagte sie nach ein paar Augenblicken. "Ich möchte dich umarmen, John."
Abwartend sah sie ihn an.
Ihre Hände loslassend öffnete er einladend seine Arme. Sophia machte zwei Schritte auf ihn zu und John legte die Arme um sie, während sie ihn sich an ihn schmiegte.
"Das ist schön", sagte sie nach einer Weile. "Wie erlebst du es?"
"Es ist etwas, woran ich bisher nicht gedacht hatte, es selbst zu erleben", erwiderte John bewegt. Dann beugte er sich zu ihr und gab ihr einen sanften Kuss.
"Sind wir jetzt ein Paar? Ich würde es mir wünschen."
Sophia strahlte: "Das wünsche ich mir auch."
"Es ist auf der Couch angenehmer", schlug er vor und so machten sie es sich dort bequem. Arm in Arm zusammenliegend fühlte jeder die Präsenz des anderen, dann tauschten sie sich darüber aus und stellten fest, dass sie die gemeinsame Nähe sehr genossen. Sophia erzählte ihm von Hamid, durch den sie erst auf den Gedanken gekommen war, dass sie eine Beziehung etwas Wünschenswertes sein könnte.
"Allerdings nicht mit einem Menschen", endete sie. "Die körperliche Ebene hat mich nicht angesprochen."
"Wir berühren uns doch auch und genießen es", warf John ein. Interessiert betrachtete er sie: "Hast du damit Erfahrungen gesammelt?"
Sophia neigte sich zu ihm und begann, ihn auf die Art zu küssen, wie sie es mit Hamid erlebt hatte. Lachend wich er schließlich zurück: "Ich verstehe, was du meinst. Das fühlt sich ... merkwürdig an! Sicher, Menschen mögen es sehr, wenn sie verliebt sind. Aber es geht mir wie dir: Ich brauche es nicht, um mich mit dir wohl zu fühlen. Es ist wunderbar, dich im Arm zu halten und mit dir zu kommunizieren."
Die Zeit verging wie im Flug, wie beide feststellten und Sophia wusste, dass bald ihr Dienst begann.
"Wir halten Kontakt", bekräftigte John. "Wir werden sehen, wie und wo wir uns treffen können. Nächste Woche fliege ich wieder zurück, dann haben wir wieder Zeit für uns."

Auf dem Rückflug nach Atlas erzählte er ihr, dass er plante, sich auf die Erde versetzen zu lassen.
"Dann wird es auch leichter für uns werden", lächelte John. "Es wird allerdings noch einige Zeit dauern, bis ein Nachfolger ernannt ist."
"Das spielt keine Rolle", erwiderte Sophia ungewohnt fröhlich. "Ich bin ... glücklich, dass wir uns gefunden haben."
"Ja, das drückt es gut aus"
, sagte John Kopernikus nachdenklich, ihren Worten nachspürend: "Ich bin sehr glücklich, dass wir zusammen sind."